Josefs Geschichte

 

 

                                      Rupfenkrippe     Rosi Balders, Aurich

 

 

Endlich sind wir wieder zu Hause.

Meine Nachbarn fragen jeden Tag:

„Josef, wo wart ihr die ganzen Jahre?

Warum seid ihr nicht nach Nazareth zurückgekommen?

Was war los? Nun erzähl schon!....

Alles fing hier in Nazareth an.

Ich war hier im Dorf Zimmermann und hatte gut zu tun.

Maria und ich hatten uns gerade verlobt.

Unsere Väter hatten sich das gut ausgedacht - wir beide:

Josef, der Zimmermann und Maria, Tochter eines angesehenen Bürgers.

 

                                        Marias Verkündigung   Holztransparent   Holzwurm, Aurich

 

Aber eines Abends war Maria so merkwürdig.

Sie war so ganz anders. Erst druckste sie herum.

Ich nahm sie in den Arm und sagte: „Komm, Maria, was hast du, erzähl!“

„Josef, ich habe einen Engel gesehen! Er war bei mir und hat mit mir geredet“ 

„Maria, was erzählst du da? Wer hat in Nazareth jemals einen Engel gesehen?“

„Josef, glaub mir, es war ein Bote Gottes.—

Er sagte: Maria, du bist von Gott ausgesucht worden, du sollst ein Kind zur Welt bringen,

das der Welt den Frieden bringt.“

Ich war sprachlos.

Maria ist schwanger und dabei hatten wir doch nichts miteinander.

Ich wollte sie heimlich verlassen und woanders hingehen.

Aber in der Nacht träumte ich, dass das alles okay ist - mit Maria und so.

Ja, dann blieben wir zusammen und sie ist meine Frau geworden.

 

 

                                       Maria und Josef auf dem Weg nach Bethlehem Ton, Peru 

Eine-Welt.Laden, Aurich

 

Einige Monate später mussten wir nach Bethlehem.

Seid ihr schon mal mit einer Schwangeren so viele Kilometer gereist?

Ich habe noch nie so viel Zeit gebraucht wie damals.

Aber es war auch schön, wir mussten viele Pausen machen

und ich staunte nicht schlecht, wie schön unsere Heimat ist.

Maria hat die Reise sehr angestrengt.

Immer wieder hielt sie sich ihren Bauch. „Josef, wie lange noch?“

Woher soll ich denn wissen, wann die Geburt beginnt?

 

                                        Die Herberge    Holzreste

 

Die Reise war noch nichts im Vergleich zu dem, was uns in Bethlehem erwartete.

Kein Platz, kein Bett, kein Fleckchen zum Ausruhen.

Ich bin von Tür zu Tür gegangen - Fehlanzeige.

Da hat sich der Kaiser von Rom was Feines ausgedacht,

nur um noch mehr Geld zu kassieren...

Klar, war es in Bethlehem überfüllt, wer stammt nicht alles

von König David, meinem Vorfahren, ab?

Und ich mitten drin, mit der hochschwangeren Maria.

Einen Unterstellplatz für Vieh haben wir schließlich gefunden.

Warm war´s, Heu war auch da.

So konnte ich es Maria wenigstens einigermaßen bequem machen.

 

                                        Die Familie     Holzschnitzarbeit   Erzgebirge Jahnsbach

 

Ich war gerade eingeduselt, als Maria mich weckte: „Josef, es geht los!“

Ich bin Zimmermann, aber nun wurde ich Geburtshelfer.

„Warmes Wasser; die Tücher dort; komm, hilf mir!“

Maria konnte mir alles sagen, womit ich ihr helfen konnte.

Das hatte sie bei Elisabeth, ihrer Verwandten, gelernt.

Aber das ist eine andere Geschichte. –

Maria ist schon eine starke Frau: Sie hat einen Jungen geboren. –

Ich borgte mir bei den Tieren die Futterkrippe aus

und machte aus Heu schnell ein kleines Bettchen zurecht.

Da legte Maria ihr Kind - unser Kind - hinein.

 

 

 

                                       Die Hirten auf dem Feld   Batik, Bangladesch, Eine-Welt-Laden,  Aurich

 

Zur gleichen Zeit hatten auf dem Nachbarfeld die Hirten,

die dort ihre Schafe hüteten, ein seltsames Erlebnis.

Sie sahen ein helles himmlisches Licht und ein Bote Gottes sprach zu ihnen,

dass heute der Retter der Welt geboren sei.

Jedenfalls haben die Hirten es erzählt.

Und sie hörten sogar noch die Engel singen.

Ja, wirklich: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden!“

Ich hab es auch erst nicht glauben wollen,

aber Maria meinte:

Josef denk nach, es ist doch alles so anders mit unserem Kind.

 

                                       Hirte     Porzellan

 

Und als die Hirten dann zu uns kamen, war ich überrascht.

Diese Männer, die es gewohnt waren, mit wilden Tieren zu kämpfen,

standen hier bei uns und staunten über unser Kind.

Ja, sie hatten sogar Tränen in den Augen.

Sie hatten uns gefunden, wie es der Engel gesagt hatte.

Dieser Hirte brachte ein Schäfchen mit.

 

                                       Hirte  Ton, Mexiko  Eine-Welt-Laden, Aurich

 

Der Mexikaner schien mir eigentlich unbeugsam zu sein.

Er stand da und schaute.

Aber ein Lächeln ging über sein Gesicht.

Ich glaube er hat verstanden,

was sich durch dieses Kind in der Welt verändern wird –

Friede auf Erden?

 

                                        Hirte    Holz, Ruanda Eine-Welt-Laden, Aurich

 

Der Stolz dieses Afrikaners war nicht zu übersehen.

Ein Hirte aus Afrika; reich und angesehen.

Auch er kommt zum Stall und ist dabei.

 

                                       Hirte   Ton  Rosi Balders, Aurich

 

Und der war aus unserer Gegend.

Sein Gewand zeigt noch die Bewegung - so schnell ist er gelaufen.

Ja nichts Wichtige verpassen.

Er muss es gesehen haben.

Ob er begreift?

Wenn ich Maria ansah, dann wusste ich, sie hatte alles begriffen.

In ihrem Herzen hat sich alles zusammengefügt:

Hier handelte Gott und die Menschen staunten,

dass sie es miterleben konnten.

 

                                     Die drei Weisen    Holzschnitzarbeit   Erzgebirge, Jahnsbach

 

Einige Zeit später wurde es noch Sonderbarer.

Wir hörten, dass draußen was los war.

Ich schaute mich um:

Da war doch tatsächlich eine Karawane,

die vor unserem Stall Rast machen wollte.

Drei Weise stiegen ab und sie kamen zu uns.

Sie wollten das Kind besuchen.

Bei König Herodes hatten sie sich erkundigt, wo ein neuer König geboren werden könne,

denn sie hatten einen neuen Stern am Himmel entdeckt.

„Nur in Bethlehem!“ war die Antwort der Gelehrten gewesen.

Und da waren sie - bei uns.

Geschenke brachten sie mit: Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Ich konnte es gar nicht glauben, aber sie standen vor mir.

Maria hatte wieder einmal den Durchblick.

Sie wunderte sich nicht:

Sie wusste es irgendwie immer einzuordnen.

„Die Armen und Weisen erfahren es zuerst  -

Der Retter der Welt ist geboren.“

 

                                       Krippe  Holzschnitzarbeit   Oberstaufen, Allgäu

 

So waren wir alle beieinander an unserer Krippe.

Die Hirten, die Weisen, Maria und ich.

Jeder, wie er sich fühlte und wie er sein Leben lebte.

Wir waren dort,

wo Gott auf die Welt kommt, um uns zu helfen.

 

 

In der Nacht drauf träumte ich wieder.

Wir sollten schnellstens nach Ägypten fliehen.

Das Kind ist in Gefahr.

Noch in der Nacht sind wir losgezogen, um den Soldaten des Herodes zu entkommen.

So bleiben wir also einige Jahre im Asyl in Ägypten

und kehrten erst jetzt zu Euch zurück!“

 

 


 

 

Text: Hartmut Balders (Erstveröffentlichung im Ostfriesland-Magazin 12/96)   Fotos: Hartmut Balders